06 Mrz

Ende der Ehrung eines Nationalsozialisten an der TU Berlin – Nach Aufforderung des StuPa verliert Konrad-Mellerowicz-Hörsaal seinen Namen

Das Studierendenparlament (StuPa) forderte in seiner Sitzung am 15. Dezember 2023 einstimmig das Präsidium der Technischen Universität (TU) Berlin auf, dass das seit dem Jahr 2002 bestehende Gedenken an den Naziverbrecher Konrad Mellerowicz mit sofortiger Wirkung beendet wird. Dazu zählt das Entfernen des Namens über dem Eingang des nach ihm benannten Saals H 1058 im Hauptgebäude, die Abnahme der Gedenktafel im Hörsaal, die Streichung des Namens auf den Internetseiten der Universität und eine ernstgemeinte Aufarbeitung dieses Vorgangs und eine öffentliche ausführliche Entschuldigung. Zudem forderte das StuPa vom Präsidium, dass diejenigen Verantwortlichen und Beteiligten, die die Benennung ermöglicht haben und/oder danach nichts dagegen unternommen haben, verpflichtet werden dazu Stellung zu nehmen.

Am 4. März 2024 wurde bekannt, dass das Präsidium der Aufforderung durch das StuPa nachkam und den Namen streichen und die Gedenktafel entfernen wird und ein Projekt ankündigt, welches derartige Ehrungen kritisch betrachten soll.  

Das Referat für Bildungspolitik des AStA, welches den Antrag unterstützte, fordert nun weitere Schritte, da die Entfernung der Tafel im Saal nicht reicht. Die Gedenktafel muss ans Archiv der TU übergeben werden, damit nicht mit der Zeit verheimlicht werden kann, dass im Jahr 2002, 57 Jahre nach Endes des Nationalsozialismus, ein Hörsaal nach einem Naziverbrecher benannt werden konnte. Zudem verlangen wir, dass eine neue Tafel zur Kontextualisierung und Erklärung des Endes des Gedenkens an Mellerowicz angebracht wird. Weiter müssen kritische Initiativen aus der Studierendenschaft in den Prozess der Aufarbeitung eingebunden werden. Darüber hinaus richten wir die Frage an die Verantwortlichen an der TU Berlin, warum die Aufarbeitung so spät stattfindet!

Im Folgenden könnt ihr den Beschlusstext des StuPa vom 15. Dezember 2023 lesen, welcher zum Ende des Gedenkens an Konrad Mellerowicz führte:

Schluss mit der Ehrung eines Nationalsozialisten an der TU Berlin!
Für eine ernsthafte Aufarbeitung der NS-Geschichte der Hochschule!

Im Jahr 2002 wurde der Raum H 1058 im ersten Stock, in der südöstlichen Ecke, des Hauptgebäudes in Konrad-Mellerowicz-Saal benannt. Damit sollte Konrad Mellerowicz geehrt werden, der von 1950 bis 1963 Professor war und als Begründer der Wirtschaftswissenschaften an der TU gilt. Konrad Mellerowicz war aber auch als überzeugter Nationalsozialist schon früh der NSDAP beigetreten und war auch Mitglied der SA und des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes. Er war zunächst Professor an der Handelshochschule (ab 1936 Wirtschaftshochschule) Berlin, die später in die Humboldt-Universität eingegliedert wurde. Im November 1933 unterzeichnete Mellerowicz das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler. Im Jahr 1936 veröffentlichte Mellerowicz die Studie „Kriegswirtschaftliche Aufgaben der betriebswirtschaftlichen Forschung“, welche einen ersten Beitrag zur Militärökonomik darstellte. Mellerowicz leistete damit einen Beitrag zum deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieg, welcher vor allem im Osten Europas Dutzende Millionen von ermordeten Menschen zur Folge hatte. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er mit den höchsten Kreisen NS-treuer Regime zusammen und beriet diese. Zudem reorganisierte er in Rumänien für die NS-Führung wichtige Waggon-, Waffen- und Munitionsfabriken, sodass diese wirtschaftlich effizienter wurden. Aus seiner Leidenschaft für die faschistische Kriegsmaschinerie machte er keinen Hehl und bezeichnete seine Tätigkeit als Pflicht, die ihm als Deutschen oblegen hätte.

Obwohl diese Informationen öffentlich bekannt sind, spielten sie jedoch während der Benennung des Hörsaals keine Rolle und auch auf der Gedenktafel im Hörsaal werden diese verschwiegen. Obwohl dies publik ist, veranlasste es die TU-Präsidien seit 2002 nicht hier Handlungsbedarf zu sehen. Diese Ignoranz seitens der Verantwortlichen an der TU Berlin in den letzten zwei Jahrzehnten ist auch angesichts der Geschichte der Universität besonders beschämend. Denn die damalige Technische Hochschule (TH) Berlin, wie die TU bis 1945 vor der Neuausrichtung hieß, war eine nationalsozialistische Hochburg, was sich schon in den Jahren vor der Machtübertragung zeigte. Eine Person, die später sehr bekannt wurde und an diesem Klima an der TH schon vor der Machtübertragung mitwirkte, war beispielsweise der spätere sogenannte Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, NS-Rüstungsminister und 1946 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilte Albert Speer, der erst als Architektur-Student und später als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH tätig war. Speer trat während seiner Zeit an der TH 1931 der NSDAP und ein Jahr später der SA bei.

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten führte Rektor Ludwig Tübben im April 1933 die antisemitischen Maßnahmen gegen die „Überfüllung deutscher Hochschulen“ durch. Der sich ab dem 1. Mai 1934 im Amt befindende Rektor Achim von Arnim, welcher seit 1932 NSDAP-Mitglied und Stabsführer der SA war, erklärte nach seinem Amtsantritt, dass ihm die Pflicht oblegen hätte, „den Nationalsozialismus in der Hochschule zur Geltung zu bringen“. Der auf ihn folgende und ab 1938 im Amt befindliche Rektor Ernst Storm, welcher schon zuvor an der TH angestellt, SA-Sturmbannführer und ebenfalls seit 1932 NSDAP-Mitglied war, wollte schon im März 1933 die Hakenkreuzfahne auf dem Hochschulgebäude hissen. Ab dem Frühjahr 1933 begannen Hetzkampagnen gegen jüdische Hochschullehrer*innen, Dozierende und Studierende und die ersten Entlassungen. Mindestens zwanzig jüdische Studierende und 107 jüdische wissenschaftliche Mitarbeitende waren vom Ausschluss an der TH betroffen. Die jüdischen Studierenden erhielten die Mitteilung über ihren Ausschluss per Einschreiben durch den Rektor Ernst Storm. Zu ihnen gehörte beispielsweise Günter Fuchs, welcher nach nur drei Semestern am 12. November 1938 kurz nach der antisemitischen Pogromnacht vom Studium ausgeschlossen wurde. Günter Fuchs wurde 1943 nach Theresienstadt deportiert, 1944 erfolgte die weitere Deportation nach Auschwitz. 1945 wurde er auf einen Todesmarsch gezwungen, welchen er überlebte und danach in Sachsenhausen interniert wurde. Anschließend wurde er nach Mauthausen deportiert und dort am 31. März 1945 ermordet. Seit 2016 wird an Günter Fuchs, vor seinem letzten Wohnort in der nicht weit von der TU entfernten Meinekestraße, sowie an fünf weitere ehemalige jüdische Bewohner*innen, darunter auch seine Eltern, mit Stolpersteinen erinnert. An der TU Berlin wird hingegen bis heute nicht an ihn oder andere Mitglieder der Hochschule, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, erinnert.

Die Technische Hochschule diente auch als Kulisse für die nationalsozialistische Selbstinszenierung, womit die bedingungslose Treue zum Regime zu demonstriert werden sollte. Sowohl die NS-Führung als auch die Leitung der TH forcierten dabei die enge Zusammenarbeit und wollten diese auch nach außen darstellen. Ein Beispiel dafür war etwa der erste Staatsbesuch Benito Mussolinis im Jahr 1937 in Berlin, bei dem Hitler und Mussolini vor der TH die „Achse Berlin–Rom“, die Zusammenarbeit zwischen dem NS-Staat und dem faschistischen Italien, demonstrieren wollten und zusammen mit Hermann Göring vor dem Hauptgebäude eine Militärparade abnahmen. Im Jahr 1939 wurde für die Parade anlässlich Hitlers 50. Geburtstag eine Festtribüne vor der TH aufgebaut. Neben dem Wirken der nationalsozialistischen Ideologie nach innen, gab es dieses auch nach außen. An der Technischen Hochschule wurde im Oktober 1933 eine Wehrtechnische Fakultät für die nationalsozialistische Rüstungsforschung eingerichtet, wodurch die Hochschule nicht nur eine überregionale Bedeutung erlangte, sondern dadurch auch ein zentraler Bestandteil des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges, vor allem im Osten Europas, wurde. Zu den TH-Professoren, die sich an den NS-Verbrechen beteiligten, zählte unter anderem Willi Willing, welcher auch Waffen-SS-Mitglied war, und als Teil des Besatzungsregimes in Polen im Bauwesen mitwirkte und dort auch Arbeiten in Konzentrationslagern ausführte. An der Vorbereitung des deutschen Vernichtungskriegs beteiligt war auch der General Karl Becker, welcher ab dem 3. März 1933 eine ordentliche Professur für allgemeine Heerestechnik an der TH erhielt und gleichzeitig zum Dekan der Wehrtechnischen Fakultät berufen wurde. Becker gehörte zudem 1936 zu den Gründern der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, wo Raketen- und Marschflugkörper für den NS-Krieg entwickelt wurden, wozu auch die sogenannten V-Waffen gehörten, die auf großflächige dicht besiedelte zivile Ziele, wie etwa in England und Belgien, abgefeuert wurden.

An der Technischen Hochschule gab es auch eine Verknüpfung des Wirkens der nationalsozialistischen Ideologie nach innen und außen. Mindestens seit dem August 1941 setzte die TH Zwangsarbeiter*innen ein. Ab dem Sommer 1944 betrieb die TH auch ein eigenes Zwangsarbeiter*innen-Lager, in dem Menschen interniert waren, die aus den von Deutschland überfallenden und besetzten Gebieten im Osten Europas deportiert wurden. Auch an diese Menschen und diesen Ort wird an der TU Berlin bis heute nicht erinnert. Die Dimension des Fanatismus der nationalsozialistischen Hochburg TH Berlin wird auch deutlich mit Blick auf die Endphase des Zweiten Weltkrieges. In den letzten Tagen des Aprils 1945 war in Berlin nur noch ein Gebiet unter deutscher Kontrolle, welches auf einen schmalen Streifen entlang der heutigen Bismarckstraße und Straße des 17. Juni geschrumpft ist. Am 28. April 1945 gelang es polnischen und sowjetischen Einheiten dieses Areal aufzuspalten und zu großen Teilen zu besetzen, wobei aber die TH eine Ausnahme darstellte, die auch als Bollwerk bezeichnet wurde. Das Gelände der Technischen Hochschule war zur nationalsozialistischen Festung ausgebaut worden, welche durch umgebende Barrikaden besonders stark befestigt wurde und in deren Gebäuden sich Angehörige von SS und Wehrmacht verschanzten. Die polnischen Soldat*innen, die sich der TH nährten, konnten den Campus dadurch nur unter großen Anstrengungen befreien. Der dortige Kampf endete erst am 2. Mai 1945, also dem Tag der Kapitulation Berlins, was den faschistischen Fanatismus der TH verdeutlicht. Die TH Berlin war somit quasi der letzte Ort der Stadt, der vom Nationalsozialismus befreit wurde.

Vor dem Hintergrund dieser NS-Vergangenheit unserer Hochschule fordern wir das gegenwärtige Präsidium zum Handeln auf: Die nationalsozialistischen Verbrechen, die hier geschahen und von diesem Ort ausgingen, müssen endlich angemessen und ernsthaft aufgearbeitet werden! Dazu gehört auch, dass an die Opfer erinnert werden muss. Als ersten Schritt fordern wir vom Präsidium der TU Berlin, dass das Gedenken an den Naziverbrecher Konrad Mellerowicz mit sofortiger Wirkung beendet wird! Dazu zählt das Entfernen des Namens über dem Eingang zum Raum H 1058, die Abnahme der Gedenktafel im Hörsaal, die Streichung des Namens auf den Internetseiten TU und eine ernstgemeinte Aufarbeitung dieses Vorgangs und eine öffentliche ausführliche Entschuldigung. Zudem fordern wir vom Präsidium der TU Berlin, dass diejenigen Verantwortlichen und Beteiligten, die die Benennung ermöglicht haben und/oder danach nichts dagegen unternommen haben, verpflichtet werden dazu Stellung zu nehmen.

Geschichtsrevisionismus, Relativierung der faschistischen Verbrechen und NS-Verherrlichung haben an der TU nichts verloren!