04 Mrz

Stellungnahme des AStA TU Berlin gegen die Wiedereinführung von Ordnungsmaßnahmen wie Exmatrikulation im Hochschulrecht – für einen konsequenten Kampf gegen jeden Antisemitismus!

Der AStA TU Berlin sieht die aktuelle Debatte zur Wiedereinführung des Ordnungsrechts an den Universitäten in eine falsche Richtung verschoben.

Nach einer solch brutalen antisemitischen Attacke auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira[1] ist der Ruf nach Maßnahmen gegen Antisemitismus und der Wunsch nach Konsequenzen für den Täter mehr als angemessen. Dass in der Debatte aber nur der Ruf nach einem Nebenstrafrecht im Hochschulrecht auffällt, zeigt das gesamte Dilemma des Umgangs mit Antisemitismus, Rassismus und anderen menschenverachtenden Ideologien, die seit Jahren von uns als traurige Normalität in unserer Gesellschaft kritisiert werden.

Wir möchten an dieser Stelle aus zwei Gründen vor der Wiedereinführung des Ordnungsrechts warnen:


Jemand, der eine gefährliche Körperverletzung begeht, was bereits durch das Gesetz mit Freiheitsstrafe bedroht ist, wird sich nicht durch eine Exmatrikulation abhalten lassen. Das geplante Ordnungsrecht wird deswegen weitere antisemitische Angriffe nicht verhindern können.

Aus Erfahrungen werden Ordnungsmaßnahmen wie Exmatrikulation, nicht diejenigen treffen, die sich antisemitisch, rassistisch oder anders diskriminierend verhalten. Was jetzt als Maßnahme gegen Antisemitismus wirken soll, kann am Ende auch gegen Studierenden und Lehrenden eingesetzt werden
die sich lautstark dagegen stellen. Wenn eine Störung einer Veranstaltung zu einer Ordnungsmaßnahme führen kann, wird dies keinem bedrohten Studierenden helfen, sondern lediglich bestehende Machtstrukturen verhärten:

Anstelle einer zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung und Prävention durch die Institution Hochschule mit Antisemitismus, Rassismus und anderer Diskriminierungsformen, hilft die autoritäre Macht einer Hochschulleitung nur solange diese ihrer Verantwortung gerechten werden wollen und können.

Das zweite Problem sehen wir in der rechtlichen Unsicherheit, die mit dem Ordnungsrecht einher geht. Das Ordnungsrecht suggeriert eine Handhabung durch die Hochschulen in einer Situation, die von den Hochschulen kaum beherrscht werden kann. Das selbe droht bei einer Wiedereinführung. In den letzten Jahrzehnten wurde das Ordnungsrecht an den Hochschulen so gut wie nie angewandt und wenn es angewandt wurde, wurde es in den meisten Fällen von Gerichten gekippt. Eine gescheiterte Ordnungsmaßnahme dürfte Täter in ihrem Handeln eher stärken.

Wir wollen aber nicht ohne Hinweis bleiben, wie es weitergehen kann:


Als wir Studierendenschaften in Berlin die Abschaffung der Ordnungsmaßnahmen gefordert hatten, haben wir im selben Atemzug die Einführung von Beauftragten für Antisemitismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit gefordert. Denn die Hochschulen brauchen Expertise bei der Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Ideologien. Umgesetzt im BerlHG ist bisher nur eine Antidiskriminierungsstelle oder ein entsprechendes Gremium. Das wird aber nicht für alle Bereiche der Diskriminierung ausreichend Expertise an die Hochschulen bringen. Dazu sind die Diskriminierungsformen zu verschieden. Ohne diese Expertise zeigt sich eine gewisse Hilfosigkeit, wenn es um antisemitische, rassistische, queerfeindliche oder anders diskriminierende Gewalt geht. Aber auch wenn entsprechende Gewalt von Dozierenden ausgeht, sieht der Maßnahmenkatalog in der Regel wenig bis gar keine Handhabe vor. An dieser muss dringend geschärft werden, wie Ungleichheitsideologien wie Antisemitismus und Rassismus und Machtmissbrauch aus dem Diskurs an den Hochschulen ausgeschlossen werden kann und muss.


Deswegen halten wir an unserer bisherigen Forderungen fest:

Kein Ordnungsrecht an den Hochschulen, stattdessen eine Ausstattung für die Hochschulen, sich dauerhaft mit dem Thema auseinanderzusetzen und Maßnahmen für die Hochschule, die dieser helfen, den Diskussionsrahmen frei von menschenverachtenden Positionen zu halten. Für die Ahndung diskriminierender Gewalt ist das Strafgesetzbuch da. Für Moderation auf dem Campus brauchen die Hochschulen eine entsprechende Ausstattung, um nicht hilfos dazustehen und ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden.

Auch Bund und Länder sehen wir hier in der Verantwortung, Forschungs-, Bildung- und Präventionsprojekte entsprechend finanziell zu unterstützten.
Gegen jeden Antisemitismus und jeden Rassismus. Für eine Hochschule, die ihrer Aufgabe nachkommt.


[1] Wir haben uns hier mit Lahav solidarisiert und die Hochschulen zum Handeln
aufgefordert unser Statement ist hier zu fnden: https://asta.tu-berlin.de/artikel/brutaler-
antisemitischer-angrif-solidaritaet-mit-unserem-juedischen-kommilitonen-der-fu-berlin/
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