Soli-Statement für den RefRat der HU
Der AStA der TU Berlin erklärt hiermit seine volle Solidarität mit dem RefRat der HU Berlin!
Der RefRat der HU Berlin hat zum 15.09.21 eine Stellenausschreibung für eine studentische Antidiskriminierungsberatung ausgeschrieben, welche aus parteilicher Perspektive ausgeführt werden soll. „Parteilich bedeutet hier eine Beratung, die sich an den Bedürfnissen der ratsuchenden Person orientiert, um einen Raum zu schaffen, in dem sich Betroffene von rassistischer Diskriminierung wohlfühlen und ihre Erfahrungen teilen können. In der Beratungsarbeit hat sich gezeigt, dass dies am besten gelingt, wenn der_die Berater_in Schwarz oder als Person of Color positioniert ist. Wir bitten daher weiße Menschen, von einer Bewerbung für diese Beratungsstelle abzusehen“, heißt es in der Stellenausschreibung des RefRats.
Innerhalb kurzer Zeit nach Veröffentlichung der Ausschreibung wurde der RefRat in den Sozialen und öffentlichen Medien dafür diskreditiert. Der Vorwurf lautet Rassismus gegen weiße Menschen. Auch wenn der RefRat inzwischen die Ausschreibung geändert hat und die Bitte, sich als weiße Person nicht zu bewerben, gelöscht hat, möchten wir zur ursprünglichen Formulierung Stellung beziehen.
Zunächst möchten wir auf eine Aussage des Berliner CDU-Politikers Kai Wegner reagieren: „Wer Menschen im Namen des Antirassismus selbst rassistisch diskriminiert, sollte seine Position überdenken.“ Rassismus gegen weiße Menschen gibt es per Definition schon nicht und dies ist Konsens in der Antirassismusforschung. Rassismus hat immer eine historische, strukturelle, ideologische und/oder sozialisierte Komponente. Es geht also darum, ob eine Ethnie, eine Volksgruppe oder Religionsgemeinschaft in der historischen Vergangenheit versklavt, ausgebeutet oder kolonialisiert wurde, Menschen, die einer rassifizierten Gruppe zugeschrieben werden, im Alltag strukturell diskriminiert werden (z.B. Nachteile bei der Job- oder Wohnungssuche haben), es Ideologien zur Abwertung dieser gibt und sie in der Gesellschaft generell ein geringeres Ansehen haben. Keine dieser vier Punkte trifft auf weiße Menschen zu. Dass ein CDU-Politiker eine solche Aussage trifft, ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern auch hochproblematisch. Es wird sich hier entweder aus Unwissenheit oder Ignoranz gegen wissenschaftliche Fakten gestellt.
An dieser Stelle möchten wir auch die Leitung der HU kritisieren, die wiederholt öffentlich ihrer eigenen Studierendenschaft und demokratisch legitimierten Hochschulgremien auf Druck von Rechten in den Rücken fällt. Die HU kommentierte auf Twitter unter einem Post vom „Verein Deutscher Sprache“ ( welcher in der Vergangenheit wiederholt mit rechter und antifeminitischer Hetze aufgefallen ist): „Es ist ausdrücklich nicht im Sinne der HU, Menschen zu diskriminieren. Wir verstehen uns als Ort der Meinungspluralität, der gegenseitigen Wertschätzung und des Respekts. Die HU-Leitung fordert die verfasste Studierendenschaft deshalb auf, die Stellenausschreibung zu überprüfen.“ (Link klicken). Wir fordern die HU auf, ihr Verhältnis zu Rechten und Rechtsradikalen von Grund auf zu überdenken.
Der RefRat verwendet in seiner Stellenausschreibung den Terminus „weiße Menschen“. Dies bezieht sich nicht allgemein auf die Hautfarbe, sondern auf eine politisch und gesellschaftlich geprägte Kategorie, die für diese Menschen bestimmte Privilegien mit sich bringt. „Weiße Menschen“ sind aufgrund ihrer zugesprochen Zugehörigkeit zur Dominanzgesellschaft in vielfacher Weise privilegiert. Es geht also nicht um die Hautfarbe der Bewerber:innen, sondern um die persönliche Vertrautheit mit der Thematik durch eigene Erfahrung und die Nicht-Zugehörigkeit zur privilegierten Gruppe. Bewerben sollen sich also generell alle von Rassismus, Antisemitismus, Antiromaismus und antimuslimischen Rassismus betroffenen Personen. Die Stellenausschreibung ist also, anders als von der Springerpresse und dem hochschulpolitischen Sprecher der CDU, Adrian Grasse, betitelt, nicht gesetzeswidrig und verstößt erst recht nicht gegen das Grundgesetz.
Um über die Unangemessenheit des Vorwurfes zu diskutieren, lohnt ein Blick in die deutschen Hochschulstrukturen. Hier zeigt sich, dass obwohl wir eine diverse Studierendenschaft an den Hochschulen haben, kaum bis keine Diversität bei den Angestellten vorfinden (Link klicken). Abgesehen von dem Reinigungs-/Mensapersonal ist die migrantische Präsenz schockierend niedrig (Link klicken). Ohne an dieser Stelle die Mechanismen des instutionellen Rassismus erläutern zu müssen, die hierfür verantworlich sind, sollte jedoch klar sein, dass gerade aus diesem Grund die Besetzung einer solchen Position mit einer BIPoC gerechtfertigt ist und zwar aus zweifacher Perspektive: Erstens, da von Rassismus betroffene Menschen einen erschwerten Zugang zu universitären Positionen haben, sollte zumindest eine Stelle, wo es um ihre Belange geht selbstverständlich auch von ihnen besetzt werden.
Und zweitens, sollte GARANTIERT sein, dass sich BIPoC, die rassistische Erfahrungen machen, an eine Beratungsstelle wenden können, bei der sie sich angemessen unterstützt fühlen und sie keine Angst davor haben müssen, dass ihnen ihre Erfahrungen abgesprochen werden. Es besteht die Notwendigkeit in Momenten rassistischer Diskriminierung jemanden gegenüber zu haben, der*die nicht nur kompetent im Sinne des weiteren Vorgehens ist, sondern auch eine Person auffangen kann. Das bedeutet nicht, dass weißen Menschen abgesprochen wird einfühlsam zu sein. Doch dieser Raum soll zumindest kurzfristig einer sein, der die belastende Mehrheitsgesellschaft und ihre strukturelle Diskriminierung und ihre Machtverhältnisse vor der Tür stehen und die Erfahrungen schildern lässt und in dem eine Unterstützung gegeben ist, die die Ungleichheitsverhältnisse dieser Uni und Gesellschaft nachfühlen kann. Eine sogenannte Peer-Beratung, also eine Beratung durch Menschen mit denselben Merkmalen bzw. in derselben Lebenssituation wie der Beratene, wird u.a. auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als fördernd bewertet (Link klicken). Vor diesem Hintergrund ist die Bitte der Nicht-Bewerbung als eine Aufforderung zu verstehen die eigenen Privilegien (nicht von Rassismus betroffen zu sein zu überdenken) und aus Sensibilität von einer Bewerbung abzusehen. Niemandem wurde verweigert, sich dennoch zu bewerben, es wurde ausschließlich darauf aufmerksam gemacht, dass eine Bewerbung von gesellschaftlich privilegierteren Personen an dieser Stelle unerwünscht ist. Eine Beratungsstelle dient nicht nur der Notwendigkeit BIPoC, die rassistische Erfahrungen machen, strukturell zu unterstützen, sondern es stellt gleichzeitig einen Raum zur Selbstermächtigung dar, der dem allgemeinen Empowerment BIPoC Studierender dienen soll.
Selbstverständlich sei an dieser Stelle darauf hingewisen, dass wir den antirassistischen Kampf nicht mit der Besetzung von Positionen durch BIPoC als beendet verstehen, stattdessen ist uns bewusst, dass Stellen nur ein kleines Rädchen eines gesamtgesellschaftlichen Problems darstellen. Dass alleine die Bitte des Bewerbungsverzichtes einen öffentlichen Skandal solchen Ausmaßes nach sich zieht, zeigt, dass noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Wir wünschten uns eine derartige Aufregung sei die Konsequenz bei tatsächlicher rassistischer Diskriminierung.
Wir kämpfen weiter und schweigen nicht! Wir sind solidarisch mit dem RefRat der HU Berlin.
Zum weiterlesen
Migrationsrat: Berlin braucht Antirassismusbeauftragte an den Hochschulen! 15.05.2021:
https://www.migrationsrat.de/berlin-braucht-antirassismusbeauftragte-an-den-hochschulen/
Jessica Kliem: Die Mühlen mahlen langsam. TAZ, 30.12.2020: https://taz.de/Rassismus-an-Hochschulen/!5735538/
Jan-Martin Wiarda: Die Hochschulen müssen ihren strukturellen Rassismus hinterfragen. Der Tagesspiegel, 28.06.2020: https://www.tagesspiegel.de/wissen/unis-sind-noch-lange-keine-inklusiven-orte-die-hochschulen-muessen-ihren-strukturellen-rassismus-hinterfragen/25952646.html
Margarete Stokowski: Die Krux mit der Diskriminierung. Weiße und Männer können alles haben, aber das nicht. Der Spiegel, 06.11.2018: https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/warum-es-keinen-sexismus-gegen-maenner-oder-rassismus-gegen-weisse-gibt-a-1236954.html
Birgit Rommelspacher: Was ist eigentlich Rassismus? Netzwerk-Demokratie Kreis GG, 2009:
https://www.kreisgg.de/fileadmin/Buero_Landrat/Integration/Antirassismus_und_Integrationsmanagement/Fachstelle_gegen_Rassismus/Themen_und_Material/Rommelspacher-Was-ist-Rassismus.pdf