09 Feb

Solidarität mit Bengt – gegen jede rechte Hetze

Ein Kommilitone der Humboldt-Universität – Bengt Rüstemeier – ist derzeit einer rechten Hetzkampagne ausgesetzt, die sowohl in den sozialen Medien als auch in der Springerpresse und im ÖRR stattfindet und inzwischen auch von der neuen Berliner SPD-Führung getragen wird. Auslöser für diese rechte Kampagne sind Tweets von unserem Kommilitonen, die als „irre Mordfantasien“ skandalisiert und in keiner Weise von den Journalist:innen kontextualisiert werden.  Mindestens einer dieser Tweets ist im Zusammenhang  mit dem rechten jungliberalen Twitter-User und Welt-Kolumnist Benedikt Brechtken entstanden, der es für nötig hielt bei dem misogynen „Spiel“ „kiss, marry, kill“ auf die Option Rosa Luxemburg mit „kill Luxemburg. Rest ist egal“ zu antworten. Rosa Luxemburg – eine Kommunistin und Jüdin – wurde 1919 von Rechten ermordet, mit Unterstützung der SPD. Brechtken war es dann auch, der in einer ungeheuren Zahl an Tweets die Kampagne gegen unseren Kommilitonen losgetreten hat. Wie rechte Kolumnist:innen es immer wieder schaffen, über Twitter und bürgerliche Medien wie die Welt, Diskurse so zu lenken, dass marginalisierte und linke Personen einer Welle von realen Morddrohungen und Anfeindungen durch Nazis – Nazis morden regelmäßig in diesem Land –  ausgesetzt sind, wurde erst kürzlich am Beispiel „Don Alphonso“ aufgezeigt, welcher unter anderem regelmäßig mit Brechtken interagiert. 
Dass die provokante Bezugnahme auf diese misogynen, antikommunistischen Ausfälle als Grund dient, die Person auf politischer und persönlicher Ebene nun medial zu drangsalieren, zeigt die Doppelstandards innerhalb des von Rechten dominierten politischen Diskurses auf. Das eine bleibt ohne Konsequenzen, weil solch misogyne, rechte Kommentare und Wunschträume zum guten Ton der „Mitte der Gesellschaft“ gehören, das andere wird als „irre Mordfantasie“ imaginiert. Die Tweets, die völlig aus dem Kontext gerissen und nun als reale Aufrufe zur Gewalt verstanden werden wollen, weisen auf zwei Dinge hin: Dass ein Tweet zu einer erfolgreichen rechten, pseudomoralischen Kampagne gegen angebliche Mordfantasien umfunktioniert werden kann, zeigt auf, dass rechte Ideologien sowohl deutlich salonfähiger geworden sind, als auch dass sie medial durch das gesamte öffentliche Spektrum vertreten werden. Und: Es mangelt an Solidarität mit den Betroffenen rechter Hetze.
Besonders frappierend, aber nicht wenig überraschend, ist das Verhalten der Berliner Jusos, welche sich dem Druck der rechten Kampagne gebeugt haben, sich von ihrem Mitglied distanzieren und ihn so der weiteren Instrumentalisierung ausgeliefert haben. An diesem Beispiel zeigt sich, wie rechter Kulturkampf in den öffentlichen Medien funktioniert und auch vermeintlich „linke“ Kräfte, wie die Jusos diesen rechten Narrativen verfallen.

Die Humboldt-Universität distanzierte sich per Twitter von unserem Kommilitonen und behauptet, sie verurteile jegliche Äußerungen, die zu Gewalt aufrufen, auf das Schärfste. Die Grenze der freien Meinungsäußerung liege dort, wo es um diffamierende, andere Menschen in ihrer Würde verletzende Äußerungen und Behauptungen gehe und das dies für alle HU-Mitglieder gelte, „egal ob Mitarbeiter:in, Professor:in oder Student:in“. Solch ein Verhalten habe an der HU keinen Platz. Dass die HU gegen diffamierende, rassistische und tätliche Angriffe jedoch in keinster Weise vorgeht, hat sich an dem rechtsradikalen Professor Baberowski gezeigt, der nicht nur im Zusammenhang mit rassistischer und misogyner Stimmungsmache gegen Studentinnen von sich reden machte, sondern sogar in den Gebäuden der Universität linke Studierende tätlich angriff und sie bedrohte. Aus diesen Angriffen und den darauffolgenden Dienstaufsichtsbeschwerden mehrere Studierender gegen den Professor resultierten weder eine Stellungnahme, noch eine personelle Konsequenz von Seiten der HU. Die Uni verteidigte Baberowski zuvor in einem Statement noch als „hervorragenden Wissenschaftler, dessen Integrität außer Zweifel steht“, hierbei wird sich ironischer Weise auf die „Freiheit und Toleranz [als] Grundlage gegenseitiger Achtung und Anerkennung“ bezogen. Das macht die Stellungnahme der HU auf Twitter und gegenüber der Medien zu einer reinen Farce und zeigt auf, wie willkürlich und heuchlerisch mit Vorkommnissen „an der eigenen Universität“ verwaltungstechnisch, politisch und medial verfahren wird.

Baberowski nutzt diese Kampagne derweil, um auf seinem öffentlichen Facebook-Profil gegen demokratisch gewählte studentische Mitglieder des Akademischen Senats zu hetzen.  Er schreibt bezugnehmend auf unseren Kommilitonen, „einer von vier linksextremistischen Hetzern, die in den Gremien der HU Sitzen. Es ist also nicht einfach diese Faschisten aus ihren Ämtern zu entfernen.“ Ein rechtsradikaler Professor, der linke Student:innen in der Uni körperlich angreift und bedroht – dokumentiert in einem Youtube-Video – schwadroniert davon, studentische Mitglieder aus Hochschulgremien zu entfernen und bezeichnet sie als Faschist:innen – die HU schweigt. Und während Baberowski weiterhin als Professor an der Uni lehrt und alle Privilegien genießt, wird durch die weit rechts stehende Berliner CDU – mit der rechtsradikalen AfD – im Wissenschaftsausschuss über eine Ausschlussverfahren von unserem Kommilitonen aus dem Akademischen Senat, in dem er Mitglied ist, diskutiert. Woraufhin der sozialdemokratische Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Steffen Krach, ebenfalls einknickte und sich distanzierte.

Auch der öffentlich-rechtliche RBB berichtete damals nicht über diese körperlichen Übergriffe von einem rechten Professoren auf linke Studierende an der HU. Im aktuellen Fall aber, macht sich der Sender diese rechte Kampagne zu eigen und übernimmt unkritisch die Narrative.

Die Reaktionen von Baberowski und Co. weisen darauf hin, dass die Tweets von unserem Kommilitonen und die darauffolgende Kampagne alte antikommunistische Reflexe ausgelöst haben. Als gemeinsame Schnittstelle bieten die – gefährliche rechte – Extremismustheorie und der Antikommunismus einen Anschluss für unterschiedliche rechte Ideolog:innen, aber auch für Sozialdemokrat:innen. In der Hetzkampagne gegen das mordlüsterne Gespenst des Kommunismus ist – wie diese und andere Debatten zeigen – alles erlaubt, von Verleumdungen, Rufmord, Morddrohungen und Co. Die unterirdischen Reaktionen der HU, des Twitterschwarms, der Medienwelt und der SPD sind vergleichbar zu werten. Die Parallelen zur Auseinandersetzung um Andrej Holm – 2016/17 – und die immer wiederkehrende autoritäre Vorgehensweise der HU gegen linke, kritische Studierende scheinen kaum zufällig. 
Solidarität, vor allem aus dem „linken“ Lager, sollte unserer Auffassung nach, bei einer von rechts geführten Hetzkampagne gegen Einzelpersonen eigentlich selbstverständlich sein. Statt differenziert über die Geschehnisse zu berichten und die der Kampagne zugrunde liegende Ideologie anzugreifen, haben aber auch Zeitungen wie das Neue Deutschland die Erzählung der Rechten bereitwillig übernommen. Dass dabei auch die Deutungshoheit über Ereignisse verloren geht, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. 

Anstelle der unhinterfragten Übernahme solcher Narrative fordern wir eine solidarische Kultur, eine Kritik der Verhältnisse und ihrer Ideologien. Wir solidarisieren uns mit Bengt und allen linken Studierenden, die solchen Angriffen ausgesetzt sind. Denn betroffen ist einer – gemeint sind wir alle! 

Gemeinsam gegen jede rechte Hetze!


AStA Technische Universität Berlin