13 Mrz

Ökologische Konversion jetzt! Die besetzte GKN-Fabrik bei Florenz

Zu sehen sind Demonstrierende, die ein Transparent über ihren Köpfen tragen, das von vier Stangen gehalten wird und auf dem in Großbuchstaben 'Insorgiamo' sowie das Ex-GKN-Logo prankt.

Seit mehr als zwei Jahren besetzen die Arbeiter*innen der ehemaligen GKN-Autoteilefabrik in Florenz nun das Werk, um dessen Schließung zu verhindern – die längste Fabrikbesetzung in der Geschichte Italiens.

Was ist geschehen?

Am 9. Juli 2021 wurden die Arbeiter*innen des Standorts Campi Bisenzio (Florenz) per E-Mail über die sofortige Schließung des Werks und die Streichung ihrer Arbeitsplätze informiert. 422 Arbeiter*innen verloren von einem Tag auf den anderen ihre Jobs. Die Investmentgesellschaft Melrose Industries hatte das Werk 2018 aufgekauft. Die Schließung des Werks folgte dabei der Profitlogik des Unternehmens. Um die Wertschöpfungskette zu optimieren, sollte der als weniger rentabel geltende Standort in Campi Bisenzio aufgegeben und die Produktion nach Osteuropa ausgelagert werden.

Die Reaktion der Belegschaft auf die Schließung ließ nicht lange auf sich warten. In vorangegangenen Auseinandersetzungen hatte das Betriebskollektiv bereits Vernetzungsarbeit geleistet und Widerstand gegen Lohnkürzungen und Entlassungen organisiert. Als die Nachricht der Fabrikschließung bei den Kolleg*innen eintraf, lag der Entschluss nahe, das Werk gemeinsam zu besetzen. Mit einem Großteil der Entlassenen wurde eine ‚unbefristete Betriebsversammlung‘ ins Leben gerufen, um über die Situation zu beraten. Diese Versammlung dauert seit ihrem Beginn am 9. Juli 2021 bis heute an. Das Werk steht indessen noch immer still.

Das Vorgehen von Melrose Industries

Das Vorgehen von Unternehmen wie Melrose Industries ist bekannt und hat weitreichende Folgen. Ganze Regionen fallen der Finanzialisierung zum Opfer und werden durch die Schließung wichtiger Fabriken auf diese Weise deindustrialisiert. In den Ländern, wo die Fabriken wieder in Betrieb genommen werden, beginnt der Zyklus von vorn und Menschen und Natur werden so lange ausgebeutet, wie die staatlichen Regulierungen es erlauben oder bis die Quellen des Reichtums versiegt sind.

In Campi Bisenzio würde die Schließung der Fabrik nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen und eine Erschütterung in den individuellen Leben der Arbeiter*innen bedeuten. Die Schließung würde die massive Verarmung der Menschen in der gesamten Gemeinde nach sich ziehen. Von der Werksschließung sind ca. 500 Familien direkt betroffen, die in Campi Bisenzio, aber zum Beispiel auch in Prato und anderen angrenzenden Gemeinden leben.

Wie weiter?

Es wundert deshalb nicht, dass die Besetzer*innen breite Unterstützung in der gesamten Region erfahren haben. Bis zu 40.000 Menschen nahmen an den Demonstrationen teil, die das Kollektiv nach der Schließung des Werks organisierte. Besonderen Support erhielten die Arbeiter*innen vor allem durch die Klimabewegung, die sie schließlich auch zu einem alternativen Produktionsplan inspirierte.

Nach der Schließung war zunächst nicht klar, wie es weiter gehen soll. Achswellen für PKWs mochten die Arbeiter*innen nicht mehr herstellen. In der Auseinandersetzung um die Wiederinbetriebnahme wurde sich mit unterschiedlichen Vertreter*innen aus der Klimabewegung und der Zivilgesellschaft beraten, Klimacamps wurden besucht und Supportgruppen gegründet. An der Universität Pisa entwarfen Wissenschaftler*innen einen Reindustrialisierungsplan für Campi Bisenzio. In der Fabrik einigte man sich darauf, in Zukunft Lastenräder und Solarpanele herzustellen, für die in den vergangenen zwei Jahren bereits erste Prototypen entwickelt werden konnten.

Die Konversion der Fabrik wollen die Arbeiter*innen weiterhin in Eigenregie organisieren und aus diesem Grund eine Genossenschaft gründen. Zur Gründung der Genossenschaft und um die Fabrik zu kaufen, benötigen sie eine Million Euro. Das Geld dafür soll sich aus Spenden und dem Verkauf von Genossenschaftsanteilen speisen, die über ihre Webseite erworben werden können.

Warum ist dieses Projekt so wichtig?

Das besetzte Werk in Campi Bisenzio hat die Chance zu einer sozial integrierten Fabrik mit einer nachhaltigen Produktion und genossenschaftlicher Entscheidungsstruktur zu werden. Mit der Verwandlung des Standorts wird ein anderes Arbeiten denkbar.

Leuchtturmprojekte wie die Konversion der ehemaligen GKN-Fabrik stellen für uns wichtige Marker beim Entwurf einer besseren Zukunft dar. Sie zeigen uns, wie die praktische Solidarität unter Kolleg*innen gemeinsam mit der Klimabewegung wegweisende Veränderungen anstoßen kann. Uns wird klar: mit dem richtigen Druck ist es prinzipiell möglich, eine nach ökologischen und wissenschaftlichen Maßstäben organisierte Wirtschaft von Unten aufzubauen und dass die soziale Frage des Erhalts der Arbeitsplätze sich mit den Interessen der Klimabewegung nicht widerspricht – diese Fragen müssen vielmehr zusammen gedacht werden. Darüber hinaus erinnern sie uns daran, dass es angesichts der Klimakatastrophe nicht ausreicht, unseren individuellen Konsum zu beschränken. Wir müssen uns die Wirtschaft im Ganzen anschauen, uns zusammenschließen und damit beginnen, sie bewusst zu gestalten.

Genau wie bei GKN könnten mit den Fähigkeiten der Beschäftigten und mit der Unterstützung durch Student*innen und Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Bereichen für jeden Sektor der Wirtschaft Konversionspläne erstellt werden. Auf diese Weise ließen sich die Umrisse einer Produktion entwerfen, die den Bedürfnissen der Menschen und zugleich den planetaren Grenzen gerecht wird.

Wir solidarisieren uns mit dem Kampf der Arbeiter*innen um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und für eine klimaneutrale Zukunft.

Für die Konversion der Fabriken!
Für ein Leben ohne Chef*innen!
Für eine lebenswerte Zukunft!

Weitere Infos findest Du hier:
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