Massiver Angriff auf die Versammlungsfreiheit in Italien unter dem Deckmantel eines repressiven Anti-Rave-Gesetzes
Am 31. Oktober 2022 wurde in Modena (Italien) die Rave-Party Witchtek durch rund 300 Beamt*innen der Bereitschaftspolizei geräumt. Die Party findet seit einigen Jahren statt und an ihr nahmen um die 4.000 Jugendliche aus ganz Europa teil.
Nach der Razzia, die von der neuen rechtsradikalen und faschistischen Regierung Melonis gewollt und unterstützt wurde, wurde sofort ein neues Gesetz entworfen, das illegale Techno-Partys und andere sogenannte „gefährliche Versammlungen“ kriminalisiert und hart bestrafen soll. Der Straftatbestand sieht eine Freiheitsstrafe von drei bis sechs Jahren und eine Geldstrafe zwischen 1.000 und 10.000 Euro für diejenigen vor, die die Versammlung „organisieren oder fördern“, während es für diejenigen, die nur daran teilnehmen, heißt, dass „die Strafe gemildert wird“.
Das Gesetz wird im Titel des Gesetzbuchs, „Straftaten gegen die öffentliche Sicherheit“, untergebracht. Hier findet sich eigentlich die Straftaten Massaker, Überschwemmung, Bahnkatastrophe und Angriff auf die Verkehrssicherheit. Der neue Straftatbestand wird zwischen den Straftatbeständen „Einsturz von Bauwerken oder andere böswillige Katastrophen“ und „Herstellung oder Besitz von Explosivstoffen“ eingeordnet. Aber das ist nicht alles, denn die Bestimmung des Dekrets geht so weit, das Anti-Mafia-Gesetz zu ändern, indem sie den neuen Straftatbestand auch in die Liste der Straftatbestände aufnimmt. Diese sollen erlauben, auf Verdächtige (d.h. auf bloßen Verdacht, ohne die Notwendigkeit einer formellen Untersuchung) die Maßnahmen der besonderen Überwachung, des Verbots- oder der Aufenthaltsverpflichtung anzuwenden. Damit wird das Veranstalten von illegalisierten Partys, mit sehr schweren Straftaten gleichgesetzt: Mafiaverbindungen, Drogenhandel, Menschenhandel, Ausbeutung durch Zwangsprostitution, Stalking, terroristische Handlungen oder Handlungen, die auf die Untergrabung der staatlichen Ordnung abzielen.
Diese drakonischen Strafen sind Ausdruck eines Kulturkampfes von rechts, der sich gegen alles freiheitliche, hedonistische und liberale richtet. Stück für Stück soll alles in der Gesellschaft, dass nicht im Sinne der Regierung ist bekämpft und abgeschafft werden.
Im Gesetz ist nicht klar, was eine „gefährliche Versammlung“ sein soll und die Befürchtung der Opposition ist, dass die Regierung Meloni dieses Gesetz in Zukunft gegen jegliche friedliche nicht angemeldete Versammlung oder Demonstration einsetzen wird. Hierunter fallen z.B. studentische Demonstrationen und Klima-Proteste, an denen mehrheitlich junge Menschen teilnehmen. Dies ist ganz klar eine gezielte Strategie, um kommende Proteste wegen u.a. steigender Energie- und Lebensmittelpreise im Winter stillzulegen, indem Menschen mit hohen Geld- und Freiheitsstrafen bedroht werden. Außerdem ist das ein Angriff gegen alle selbstverwalteten, besetzten und linken Strukturen, die sich innerhalb und außerhalb der italienischen Universitäten befinden und seit Jahrezehnten das Herzstück der außerparlamentarischen Opposition des Landes sind.
Die selbe Regierung, die so hart gegen Techno-Partys und jugendliche Subkulturen vorgehen möchte, hat zeitgleich über den neo-faschistischen Marsch am 30. Oktober in Pradappio geschwiegen. Hier feierten tausende Mussolini-Fans den Jahrestag des „Marsch auf Rom“. Zwischen rassistischen Chören, Schwarzhemden, gesetzeswidrigen faschistischen Grüßen und anderen rechtsradikalen und verfassungswidrigen Symbolen. Und um kein Zweifel an der faschistischen rechtsradikalen Gesinnung dieser politischen Herkunft zu lassen, weisen auch wir daraufhin, dass vor kurzem ein Foto vom neuen Ministerpräsident Bignami aufgetaucht ist, auf dem dieser mit einer Hakenkreuzbinde posiert.
Wir sehen dieses neue Dekret als Versuch einer radikalen rechten, stark autoritären bis zu faschistischen Regierung, studentische und andere Proteste zu kriminalisieren und diese juristisch als gefährlich und sogar terroristisch zu bezeichnen, um zukünftige Proteste gegen ihr Handeln zu unterdrücken. Das ist unvereinbar mit den Prinzipien demokratischer Gesellschaften, zu denen sich Italien zählt,auch wenn der Staat seit Jahren politische Gefangene beispielsweise durch das Gesetz 41bis* legal foltert.
Wir solidarisieren uns mit allen studentischen und anderen emanzipatorischen Protesten, sozialen Bewegungen und linken Strukturen und Subkulturen, die von der Meloni-Regierung kriminalisiert werden. Wir solidarisieren uns auch mit allen politischen Gefangenen, die gerade unter dem Artikel 41bis leiden!
Unsere Forderungen sind:
- Keine Strafverfolgung von Organisator*innen und an illegalisierten Partys Teilnehmenden! Diese Veranstaltungen sind Bestandteil vieler linken, jungendlichen und alternativen Szenen und müssen erhalten werden!
- Versammlungsfreiheit und Demonstartionsrecht müssen geschützt werden und unangetastet bleiben!
- Die Streichung von Artikel 41bis und aller repressiven Gesetze, die gegen Menschenrechte und die Menschenwürde verstoßen, in Italien und überall!
- Den Rücktritt der Faschistin Giorgia Meloni und die Auflösung ihrer rechtsradikalen Regierung!
* 41bis ist eine Gefängnisverordnung, die auf totaler Isolation und Sinnesentzug beruht. 41bis zielt auf die Vernichtung des Individuums, und Dissoziation und Reue sind der einzige Ausweg. 41bis ist eine Form der Folter, die vom italienischen Staat praktiziert wird. Im 41bis-Regime befinden sich heute 747 Gefangene in 22 Abteilungen in ganz Italien. Das 41bis-Regime dauert 4 Jahre und kann kontinuierlich um weitere zwei Jahre auf unbestimmte Zeit verlängert werden. 100 Gefangene befinden sich seit mehr als 20 Jahren in 41bis.
Quelle: Rote Hilfe, Ortsgruppe Berlin
Zum Weiterlesen:
- Neuer Gesetzentwurf:
https://www.dw.com/en/italy-to-ban-illegal-raves-following-modena-party/a-63615164
- 41bis:
https://de.indymedia.org/node/235191
https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_41-bise
- Umstrittener neuer Ministerpräsident:
- Faschistischer Marsch in Predappio: